Im Oktober 1939 ordnete der Reichsführer SS Heinrich Himmler die Deportation der polnischen und jüdischen Bevölkerung aus den annektierten Gebieten im Osten ins Generalgouvernement an. Am 15. Oktober 1941 begannen die Massendeportationen aus Deutschland.

Deutsche Jüdinnen und Juden aus Hanau steigen in einen Deportationszug, 30. Mai 1942. Der Zug passierte Lublin, wo Männer zur Zwangsarbeit im Lager Majdanek selektiert wurden. Dann fuhr der Zug weiter ins Todeslager Sobibór.
Rechte: Bildstelle Hanau.
Bei der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 wurden die die logistischen Details der sogenannten Endlösung der Judenfrage in Europa diskutiert. Diverse Ministerien und Behörden waren an der europaweiten Umsetzung der Maßnahmen beteiligt. Die Transporte wurden zentral organisiert. Das Protokoll der Wannsee-Konferenz belegt deutlich den bürokratischen Charakter der Planung der Ermordung der Jüdinnen und Juden Europas.
„Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.”
Auszug aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz, 20.1.1942, S. 5
Von Anfang an konzentrierten sich die Deportationspläne auf die Region Lublin. Die deutsche Verwaltung und die Reichsbahn waren für die effizienten Deportationen verantwortlich, Züge wurden Teil des Verbrechens.
Die Transporte aus Westerbork nach Sobibór begannen im März 1943. Die ersten drei Transporte erfolgten noch mit Personenwaggons. Als ich dann deportiert wurde, waren wir in einem Waggon zusammen mit 62 Menschen – alten und jungen Leuten, Babys mit einem Kinderwagen, alles wurde hineingebracht. Noch immer ohne Gewalt, das muss man noch mal sagen. Wir wussten nicht, wohin wir deportiert wurden. Wir haben gedacht, wir müssten arbeiten in Deutschland, oder im Osten, das hatte man uns gesagt.
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Jules Schelvis, geboren 1921 in Amsterdam, aufgezeichnet 2007.

Umsiedlung der jüdischen Bevölkerung aus Lublin in andere Ortschaften des Lubliner Distrikts, 1941.
Sammlung von Rajmund Krzyżewski.
Sie vertrieben alle aus ihren Häusern, sie befahlen den Menschen, sich auf die Fuhrwerke zu setzen und die Fuhrwerke fuhren aus Uchanie ab. Die Juden gehorchten komplett, gingen leise, Bündelchen hatten sie, nicht einmal einen Koffer gab es. Sie verschleppten sie irgendwohin – damals wussten wir es nicht, woher hätten wir es denn erfahren können? Keiner kehrte von dort zurück. Das waren alles meine Bekannten, die Juden aus Uchanie.
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Jerzy Skarżyński, geboren 1921 Uchanie, aufgezeichnet 2016.

Deportation der Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto Uchanie, Juni 1942.
Foto: Jerzy Skarżyński. Sammlung von Jerzy Skarżyński.
Extras:
Jules Schelvis
Jerzy Skarżyński
Sammlung von Rajmund Krzyżewski
Jules Schelvis wurde am 7. Januar 1921 in einer jüdischen Familie in Amsterdam geboren. Er wohnte und arbeitete in Amsterdam als Drucker bis zum 26. Mai 1943, als er zusammen mit seiner Frau und deren Familie ins Lager Westerbork deportiert wurde. Von Westerbork begann seine Reise durch verschiedene Todes-, Konzentrations- und Arbeitslager, unter anderem Sobibór, Dorohucza und Lublin. Am 8. April 1945 wurde er von der französischen Armee in Vaihingen an der Enz in Süddeutschland befreit.
Nach dem Krieg kehrte Jules Schelvis in die Niederlande zurück und arbeitete wieder als Drucker. Erst dreißig Jahre nach diesen schrecklichen Erlebnissen begann er, sich mit seiner Geschichte und der Geschichte des Holocaust auseinaderzusetzen. Er begleitete Gruppen und Studenten, die sich mit dem Thema beschäftigten. Als einer der letzten Überlebenden bemühte er sich, an die Ereignisse des Holocausts zu erinnern und sich für das Gedenken einzusetzen. Er veröffentlichte ein Buch über das Todeslager Sobobór, das zu einem der wichtigsten Studien zu diesem Thema wurde. Jules Schelvis starb im Jahre 2016.
Jerzy Skarżyński wurde im Jahre 1921 in Uchanie im Landkreis Hrubieszów geboren. Sein Vater Aleksander Skarżyński war Arzt und auch Vorsitzender der lokalen Freiwilligen Feuerwehr. Seine Mutter Stanisława Skarżyńska geboren Piasecka, war Lehrerin. Jerzy hatte einen sechs Jahre jüngeren Bruder Ryszard. Die Familie wohnte in Uchanie, im Haus gegenüber dem Gemeindeamt.
Jerzy fing seine Schulbildung in der lokalen Volksschule an. Im Alter von 13 Jahren wurde er in das XI. Staatliche Gymnasium und Lyzeum von J. und J. Śniadecki in Lemberg aufgenommen. Das sogenannte kleine Abitur bestand er 1939.
Als der Zweite Weltkrieg begann, war Jerzy in den Sommerferien in Uchanie. Während der deutschen Besatzung arbeitete er beim Wasserwirtschaftsamt in Hrubieszów, wo er unter anderem die Regulierung des Flusses Wełnianka beaufsichtigte. Im Sommer 1942 war er Zeuge der Erschießung einer Gruppe von Juden aus Uchanie, was er auf drei Fotos verewigte.
Im Januar 1943 schafften es Jerzy und seine Familie, vor der deutschen Aussiedlungssaktion aus Uchanie zu fliehen. Er gelangte dann nach Łochów, wo er in eine Landmaschinenfabrik zur Arbeit ging. Im Jahre 1944 wurde er zusammen mit seinem Bruder ins Zwangsarbeitslager nach Berlin verschleppt, wo sie am Bahnknotenpunkt Berlin-Westkreuz arbeiteten. Dort überlebte Jerzy bis zum Kriegsende. Im Mai 1945 kehrte er nach Polen zurück. Seine Eltern verkauften nach dem Krieg das Haus in Uchanie und reisten nach Żuławy aus. 1945 heiratete Jerzy und zog nach Gdańsk um. Er arbeitete beim Wiederaufbau des Hafens in Gdańsk und danach war er u.a. Generaldirektor der Hauptverwaltung für Erdölprodukte, stellvertretender Direktor des Polnischen Automobilverbandes, Reorganisator der Versicherungsgesellschaft Warta und stellvertretender Kommandant der Höheren Feuerwehrschule. Im Jahre 1981 ging er in Pension. Er war bei der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung ehrenamtlich tätig. Er wohnte in Warschau. Jerzy Skarżyński starb 2018.

Sammlung von Rajmund Krzyżewski
Am 26. Oktober 2012 bekam das Zentrum „Grodzka Tor – Theater NN“ in Lublin 5 Fotografien, die Ereignisse aus der Zeit der Shoah in Lublin darstellen. Diese Fotos wurden dem Zentrum von Herrn Rajmund Krzyżewski als Bielsko-Biała zusammen mit den Informationen über die Umstände von deren Gewinnung übergeben. Bei der Analyse von diesen Fotos lässt sich feststellen, dass sie wahrscheinlich die Aussiedlung von den Juden in die Provinz darstellen. Diese Ereignisse fanden Anfang März 1941 statt. Die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner von Lublin wurden in provinzielle Ortschaften, u.a. Bełżyce, Bychawa, Lubartów, Rejowiec und Żółkiew umgesiedelt. Von der Aussiedlungsaktion waren überwiegend ältere oder behinderte Menschen, Frauen und Kinder betroffen. Die Aktion fing jeden Tag um 6 Uhr morgens an. In manche Kleinstädte wurden jüdische Menschen mit Fuhrwerken umgesiedelt. Auf den Fotos wurden Momente verewigt, die während der Umsiedlung stattfanden. Eine der Etappen spielte sich auf dem Hof des Potocki-Palastes in der Staszic-Straße Nr. 3 ab. Dieses Gebäude ist auf den meisten Fotos zu sehen.