
Gemälde von Wacław Kołodziejczyk mit dem Titel „Gesamtansicht des Todeslagers in Bełżec“.
Eigentum der Gemeinde Hl. Maria Königin von Polen in Bełżec.
Am 28. April 1943 waren die letzten Jüdinnen und Juden aus Izbica vertrieben und nach Sobibór gebracht worden. Meine Eltern starben dort in den Gaskammern. Ich selbst kam ins Arbeitslager. Nur in einem Lagerbezirk wurden Arbeitskräfte gebraucht. Sechs Monate blieb ich in Sobibór. Bis zum Aufstand am 14. Oktober, als wir binnen einer Stunde alle Deutschen mit Messern und Äxten töteten. Wir nahmen ihre Waffen und riefen zur Rebellion auf. Danach flohen wir und versteckten uns im Wald.
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Tomasz Tojvi Blatt, geboren 1927 in Izbica, aufgezeichnet 2004.
„Aktion Reinhardt“ wurde posthum nach Reinhard Heydrich benannt. Globocniks Mitarbeiter rekrutierten sich aus Deutschen und Österreichern, die maßgeblich an der „Aktion T4“ zur Tötung von Menschen mit Behinderungen beteiligt waren. Das Hilfspersonal bestand aus sowjetischen Kriegsgefangenen, die zwangsrekrutiert worden waren. Obwohl nur einige hundert Männer in den Todeslagern der „Aktion Reinhardt“ arbeiteten, gelang es ihnen, eine effektive, industrialisierte Tötungsmaschinerie aufzubauen.

SS-Wachen im Todeslager Bełżec, 1942. Von links nach rechts: Fritz Tauscher, Karl Schluch, Reinhold Feix, NN, Karl Gringer, Ernst Zierke, Lorenz Hackenholt, Arthur Dachsel und Heinrich Barbel.
USHMM, Washington, DC.
Ende 1942 wurde das KZ Bełżec aufgelöst. Das Morden in Sobibór und Treblinka ging noch bis zum Sommer beziehungsweise Herbst 1943 weiter. Nach mehreren Gefangenenaufständen und Fluchtaktionen wurden dann auch diese Lager geschlossen und von den Deutschen dem Erdboden gleichgemacht.

Im Juli 1942 war ich mit meinem Vater in Bełżec an der Bahnstation, an einem Magazin mit Kunstdünger. Wir kamen mit einem Fuhrwerk. In kurzer Zeit fuhr ein Güterzug mit Viehwaggons vor dem Magazin an. Langsam schob er sich auf die Gleise hinein. Ich weiß nicht, womit man diesen Zug hätte vergleichen können. Als er anhielt, wackelte er auf den Schienen. Es schien so, als hätte er gleich aus diesen Schienen herausfallen können. Kleine Fenster waren voll von menschlichen Händen. Ein weißer Rauch vom ungelöschten Kalk schlug empor. Wir hörten Schreie: „Wasser! Wasser!“. Sie schrien auf Polnisch, es waren polnische Juden. Aus den Wachhäuschen sprangen Wachmänner herunter, mit Helmen und Bajonetten auf Gewehren und sie nahmen Posten an den Waggons. Sie gingen hin und her. Die Dampflokomotive schob alle paar Minuten diesen schrecklichen Transport nach vorne, Richtung Lager. Dort hatte ich die Möglichkeit, die Waggons zu zählen – es waren 26.
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Jan Dzikowski, geboren 1926 in Dzierzkowice, aufgezeichnet 2007.

Erinnerungskarte von der Rampe des Mordlagers Bełżec im Jahre 1942, angefertigt im Jahre 2007 von Jan Dzikowski, der Zeuge von der Ankunft eines Deportationszugs im Lager war.
Als wir aus Bełżec abfuhren, leuchteten schon die Lampen auf den Laternen um das Lager. Es roch intensiv nach Kiefernwald. Plötzlich schlug ein heftiger Schrei ein – es war schwierig zu bezeichnen, was das war – ein Schrei oder etwas Tierisches schlug in den Himmel empor. Und es gab eine und nächste Serie, ein paar lose Gewehrschüsse. Wir fuhren langsam und waren wie ausgepeitscht. Und die Pferde spürten, dass etwas passiert war, weil sie sich im Schneckentempo fortbewegten. Mein Vater war ein harter Typ, aber er konnte sich eine Woche lang nicht zusammenreißen, er taugte nicht für die Arbeit und für nichts anderes, so schwer erlebte er diesen Schock. Immerhin waren so viele Tausende von Menschen im Handumdrehen tot … Dieser Geruch von Kiefernwald auf dem Hügel brannte sich in meine Erinnerung so stark ein… Zwar der Geruch, aber die schlechte Erinnerung.
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Jan Dzikowski, geb. 1926 Dzierzkowice, Aufnahme von 2007.
Die letzte große Mordaktion, die so genannte „Aktion Erntefest”, fand am 3. und 4. November 1943 statt, bei der mehr als 42 000 Jüdinnen und Juden im Lager Majdanek sowie in den Arbeitslagern Poniatowa und Trawniki erschossen wurden.
Im Zuge der „Aktion Reinhardt” starben über 1,8 Millionen Jüdinnen und Juden sowie eine unbekannte Zahl von Sinti und Roma. Die meisten Opfer sind bis heute unbekannt.
Extras:
Tomasz Blatt
Jan Dzikowski
Bilder von Wacław Kołodziejczyk

Tomasz Blatt (Toivi Blatt) wurde am 15. April 1927 in Izbica geboren. Sein Vater, Leon Blatt, ein ehemaliger Legionär, besaß ein Spirituosengeschäft. Seine Mutter Fajga führte den Haushalt. Toivi hatte einen sechs Jahre jüngeren Bruder Hersz. Er besuchte die Volksschule in Izbica und nachmittags ging er zu Cheder, wo er Gebete und hebräische Sprache lernte.
1941 errichteten die Deutschen in Izbica ein offenes Ghetto. Bis 1942 wohnte die Familie Blatt zusammen. Ende 1942 erlangte Toivi falsche Papiere und versuchte nach Ungarn zu fliehen. Auf der Flucht wurde er aber festgenommen und verhaftet. Nach Izbica kehrte er im April 1943 zurück. Unter einer Handvoll von Menschen, die in der Gerberei arbeiteten, blieb auch seine Familie. Am 28 April 1943 wurde Toivi Blatt zusammen mit seiner Familie nach Sobibór deportiert. Seine Eltern und sein jüngerer Bruder kamen in der Gaskammer um. Er selbst überstand die Selektion und arbeitete danach u.a. in einer Werkstatt im Lager. Am 14 Oktober 1943 gelang ihm die Flucht zusammen mit einer Gruppe von 300 Personen, von denen jeder Zehnte bis zum Kriegsende überlebte. Nach dem Entkommen aus dem Lager fand Toivi mit ein paar anderen Juden Zuflucht bei einem Bauer, der außerhalb von Izbica wohnte. Alle, die sich dort versteckten, wurden erschossen und Blatt wurde am Kiefer verwundet. Er floh und versteckte sich weiter in den Dörfern in der Nähe von Izbica – Ostrzyca, Mchy, wo er sich bis zum Kriegsende aufhielt.
Nach der Befreiung von der Region im Sommer 1944 kam Blatt nach Lublin und zog in die Kowalska-Straße 4. In der Stadt fand er eine Anstellung in einer Schlosserwerkstatt. Eine kurze Zeit lang diente er in der Polnischen Volksarmee und nahm an einer Schulung in der Politischen Schule für Offiziere in Łódź teil. Seit Sommer 1948 arbeitete er in Puck als jüngerer Referent bei der Niederlassung des Kreisamtes für Öffentliche Sicherheit (Powiatowy Urząd Bezpieczeństwa Publicznego) in Wejherowo. Im Herbst 1949 wurde er disziplinarisch vom Dienst entlassen. Im Jahre 1957 emigrierte er nach Israel, ein Jahr später ließ er sich in den USA nieder. Dort fing er an, sich mit der Dokumentation der Shoah zu befassen. 1979 nahm er das Gespräch mit einem der Anführer des Aufstandes in Sobibor, Alexander „Sascha“ Petscherski, auf. 1983 führte er ein Interview mit einem ehemaligen SS-Offizier aus Sobibor, Karl Frenzel. Die Aufzeichnung von diesem Gespräch wurde in der deutschen, polnischen und israelischen Presse veröffentlicht. Tomasz Blatt war Zeuge in den Prozessen gegen NS-Verbrecher. Seine Erinnerungen verfasste er in den Büchern (deutschsprachige Versionen): „Nur die Schatten bleiben: Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór: Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibor“ (2000) und „Sobibór. Der vergessene Aufstand. Bericht eines Überlebenden“ (2004). Auf Basis von seinen Erinnerungen entstand der Spielfilm „Escape from Sobibor“ (1987), der mit zwei Golden Globes ausgezeichnet und mehrmals zum Emma-Preis nominiert wurde. Das Schicksal von Tomasz Blatt wurde auch von Hanna Krall in der Reportage „Autoportret z kulą w szczęce“ (deutsch: „Porträt mit Kinnladensteckschuss“) thematisiert.
Tomasz Blatt lebte in Santa Barbara in Kalifornien. Zum 70. Jahrestag des Aufstandes in Sobibor wurde er mit dem Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen für Tapferkeit und heldenhafte Haltung während des Aufstandes und für außerordentliche Verdienste bei der Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an den Holocaust ausgezeichnet. Er hatte drei Kinder, Hanna, Rena und Leonard, sechs Enkelkinder und vier Urenkelkinder. Tomasz Blatt starb am 31. Oktober 2015 in Santa Barbara in Kalifornien. Er war 88 Jahre alt.
Jan Dzikowski wurde am 1. Juni 1926 in Dzierzkowice geboren. Seine Eltern waren Landarbeiter. Er hatte keine Geschwister. Im Jahre 1928 zog die Familie in die Nähe von Bełżec um und ließ sich in Kolonia Korhynie, Gemeinde Jarczów, nieder. Dort verbrachten sie die Zeit der deutschen Besatzung. Jan fing seine Schulbildung in der Volksschule in Korhynie an, wo er drei Jahre in die zweiklassige Schule ging und dann besuchte er die siebenklassige Schule in Jarczów.
Im Jahre 1941 wohnte den ganzen Sommer lang im Haus der Familie Dzikowski eine jüdische Familie – Dawid Nuchim mit seiner Frau und zwei Söhnen. Sie waren bei den Dzikowskis bis zur Endlösung der Judenfrage, als sie sich gemäß der deutschen Verordnung für die Verschleppung nach Bełżec meldeten.
Im Jahre 1944 kehrte Jan Dzikowski mit seinen Eltern in seine Heimatregion nach Dzierzkowice zurück, wo er eine Ausbildung als Schneider begann. Nach Abschluss des Militärdienstes fing er 1952 an, als Schneider zu arbeiten. Im Schneiderhandwerk arbeitete er 37 Jahre lang. Er spezialisierte sich auf das Anfertigen von männlichen Anzügen. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. Er lebt in Kraśnik.
Bilder von Wacław Kołodziejczyk
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Wacław Kołodziejczyk auf dem Bahnhof in Bełżec. In den 1960er Jahren schuf er eine Serie von 6 Gemälden, die das Vernichtungslager und das Dorf Bełżec während der deutschen Besatzung darstellen. Er wurde Zeuge der Judentransporte in das Lager, besuchte den Ort jedoch nie selbst. Seine Gemälde sind daher als künstlerisches Werk zu betrachten. Vor seinem Tod schenkte Kołodziejczyk die Gemälde der römisch-katholischen Gemeinde in Belżec.
Gemälde von Waclaw Kołodziejczyk mit dem Titel „Gesamtansicht des Vernichtungslagers in Belzec“. Das Gemälde wurde von der Beschreibung begleitet: Fragment des Ausladens von Menschen aus den Waggons, die für den Tod bestimmt sind. Das Lager war vom März 1942 bis zum Frühjahr 1943 in Betrieb, in dieser Zeit wurden etwa eine Million achthunderttausend Menschen eingeliefert und in einer speziellen Gaskammer getötet. Ein Jude namens Irmann, der 23 Personen aus seiner unmittelbaren Familie, darunter seine Verlobte, in die Gaskammer führte. Und er sprach immer kurz: ‘Ihr gehts jetzt baden, nachher werdet ihr zur Arbeit geschickt’. Eigentum: Die Pfarrei Unserer Lieben Frau Königin von Polen in Bełżec.
Gemälde von Wacław Kołodziejczyk mit dem Titel „Das Gelände des Vernichtungslagers in Bełżec. Ein Blick bei Nacht“. Das Gemälde wurde von der Beschreibung begleitet: Die Verbrennung von menschlichen Opfern nach einer vorangegangenen Ermordung durch Vergasung. Die Verbrennung dauerte von April 1943 bis Februar 1944, danach wurde das Gelände eingeebnet und wieder aufgeforstet. Eigentum: Die Pfarrei Unserer Lieben Frau Königin von Polen in Bełżec.
Gemälde von Wacław Kołodziejczyk mit dem Titel „Das Gebäude des Bahnhofs in Belzec“. Der Bahnhof von Belzec wurde am 5. Juli 1944 von der sowjetischen Luftwaffe bombardiert. Gemälde von Wacław Kołodziejczyk mit dem Titel „Das Gebäude des Bahnhofs in Belzec“. Der Bahnhof von Belzec wurde am 5. Juli 1944 von der sowjetischen Luftwaffe bombardiert.